Umgang mit Kindern und Jugendlichen in der Pandemie

Offener Brief

An das Niedersächsische Kultusministerium und
den Niedersächsischen Ministerpräsident Herrn Weil

Betreff: Umgang mit Kindern und Jugendlichen in der Pandemie

Sehr geehrter Herr Tonne, sehr geehrter Herr Weil,

regelmäßig mühen Sie sich, den Kindern und Eltern ihre neuen Verschärfungen zu den geltenden Corona-Regelungen im Bereich Schule schmackhaft zu machen.
Als Eltern sind wir bestrebt, unser Kind so gut wie möglich zu fördern und ihm einen guten Start ins Leben zu ermöglichen, den wir aktuell jedoch gefährdet sehen.

Herr Tonne, Bezug nehmend auf Ihren Elternbrief vom 10. Dezember 2021 möchten wir Sie bitten, uns zu folgenden Punkten eine fundierte und objektive Erklärung zu geben:

  1. Maskenpflicht im Unterricht Uns ist bewusst, dass das Maskentragen generell dazu dienen soll, die Ansteckungsgefahr möglichst zu verringern. Jedoch:
    • Durch das dauerhafte und regelmäßige Tragen einer Maske, egal aus welchem Material, kann keine nonverbale Kommunikation stattfinden, welche mehr als 80% unserer Kommunikation ausmacht. Diese ist jedoch für das Zusammenleben in einer Gruppe von sehr großer Bedeutung. Da die Mund-Nasen-Bedeckung mehr als zwei Drittel unseres Gesichts abdeckt, kann niemand mehr die Mimik und Emotionen seiner Mitmenschen lesen. Gerade beim Lernen ist dies von außerordentlicher Bedeutung und behindert damit ein ganzheitliche Lernen. Missverständnisse sind vorprogrammiert und positive Emotionen, die für Lernprozesse ganz wesentlich sind, werden unterdrückt bzw. negative Emotionen werden verstärkt. Durch die Masken wird die unbewusst ablaufende emotionale Kommunikation zwischen Lehrern und Schülern schlichtweg blockiert [1].
    • Mit Maske vor dem Gesicht können nicht nur die Lerninhalte schlechter vermittelt werden – wir denken hier besonders an das Lesen, Schreiben, Rechnen in der Grundschule und das Erlernen von Sprachen – sondern auch das umfangreiche soziale Lernen wird zu einem sehr großen Teil behindert. Die Schule ist neben dem Kindergarten und ähnlichen Einrichtungen ein Ort, an dem Kinder den Umgang miteinander und die bestehenden gesellschaftlichen Regeln außerhalb des Familienkreises wesentlich erlernen. Seit Beginn der Pandemie wird vermittelt, dass jeder Mitmensch hauptsächlich ein potentieller Überträger von Krankheit ist und gemieden werden sollte. Wir Menschen sind jedoch „Herdentiere“, die intensiven ganzheitlichen Kontakt zu Mitmenschen brauchen.
    • Wie seit langem bekannt ist, brauchen alle Menschen eine ausreichende Versorgung mit Sauerstoff, ohne die es bei längerer Minderversorgung zu dauerhaften gesundheitlichen Schäden kommt. Kurzfristig führt der Sauerstoffmangel zu einem verschlechterten Konzentrations- und Aufnahmevermögen, behindert also das Lernen.Auch das RKI hat bereits deutlich gemacht, dass bei der Analyse und Bewertung der Auswirkungen der Covid-19-Pandemie nicht nur akute und besonders schwere, sondern auch längerfristige gesundheitliche Folgen berücksichtigt werden müssen. Dabei müssen auch indirekte körperliche und psychische Gesundheit durch besondere psychische Belastungen berücksichtigt werden [2]. Ab Januar 2022 sollen nun auch alle Kinder unter 14 Jahren eine medizinische Maske tragen. Warum?
      Welchen Mehrwert soll eine medizinische Maske gegenüber der bisher erlaubten textilen Maske haben?
      Ein verbesserter Infektionsschutz kann damit nicht gewährleistet werden, weil: man sich nicht in Gesicht fassen darf, die Maske nicht von der Innenseite angefasst werden soll. Für den Alltag – und insbesondere für Kinder – sind solche Vorgaben schlichtweg nicht realistisch umsetzbar. Stehen all die durch das Maskentragen entstehenden langfristigen negativen Auswirkungen im Verhältnis zum kurzfristigen Infektionsschutz?
      Wir fordern Sie hiermit auf, eine objektive und transparente Gefahrenabschätzung im Sinne der Zukunft der Kinder vorzunehmen und darzulegen.
  2. Testungen Seit Monaten sind es, neben bestimmten Berufsgruppen, vor allem die Schüler und Lehrer, die regelmäßig mehrmals in der Woche auf das Corona-Virus getestet werden. In Ihrem jüngsten Schreiben haben Sie angekündigt, dass bereits geimpfte Schüler keinen regelmäßigen Test mehr erbringen müssen. Gerade die Entwicklung der letzten Wochen hat jedoch gezeigt, dass auch geimpfte Personen sich mit dem Virus anstecken und dieses weitergeben können [3,4].

    Warum weichen Sie an dieser Stelle von Ihrer bisherigen Strategie ab, durch regelmäßiges Testen frühzeitig Infektionen zu erkennen?
    Besteht hier nicht ein ganz wesentlicher Widerspruch?

    Da die Impfung die Verbreitung des Virus nicht wesentlich beeinflusst, kann dieses Vorgehen nur eine Spaltung der Gesellschaft bereits in der Schule vorantreiben. Darüber hinaus noch Beispiele mit einem Aspekt, der in der ganzen Corona-Politik scheinbar aus den Augen verloren wurde:
    Auch wenn Testungen einen möglichen Beitrag zum Monitoring der Infektionszahlen leisten, so entstehen durch die täglichen und regelmäßigen Testungen zusätzliche Mengen an vielen Tonnen Müll, der entsorgt werden muss. Gleichzeitig steigt durch das häufige Lüften in den Klassenräumen der Heizenergiebedarf der Schulen stark an. Wir leben jedoch in einer Zeit, in der Ressourcen sehr sparsam eingesetzt werden sollten, die Gründe dafür – Stichwort Klimawandel und Endlichkeit von Rohstoffen – müssen wir hier nicht weiter ausführen. Die Bundesregierung hat sich mit der Unterzeichnung des Pariser Klimaabkommens verpflichtet, ihren Beitrag zu einer Begrenzung des 1,5 Grad Zieles zu leisten und bis 2050 klimaneutral zu sein, das Klimaschutzgesetz 2021 gibt für Deutschland eine Treibhausgasneutralität bereits bis 2045 vor. Wie wollen wir dieses Ziel erreichen?
  3. Vorschlag von Ministerpräsident Weil: 2G – Regelung ab 12 Jahren Der Vorschlag von dem niedersächsischen Ministerpräsidenten Weil zur Ausweitung der 2G-Regelung auf Kinder und Jugendliche ab 12 Jahren hat uns schwer entsetzt. Kinder und Jugendliche haben laut Art. 2 GG ein Recht auf freie Entfaltung und Entwicklung. Mit diesem Vorschlag von Herrn Weil wird die persönliche, soziale und gesundheitliche Entwicklung der zukünftigen Generationen nachhaltig beschnitten. Eltern und auch die Kinder haben bis heute glücklicherweise das Recht, sich für oder gegen eine Corona-Impfung zu entscheiden. Dieser Vorschlag von Herrn Weil führt in seiner Konsequenz zu einer Ungleichbehandlung von Nicht-Geimpften und Geimpften. Wie die aktuellen Zahlen des RKI und PEI belegen, bringt eine Impfung für den großen Teil der Altersgruppe der unter 18 Jährigen, die keine Vorerkrankungen haben, keine gesundheitlichen Vorteile. Erst werden Grundrechte eingeschränkt, um die Infektionszahlen zu reduzieren, und dann werden diese Einschränkungen nur unter der Voraussetzung einer Impfung wieder gelockert. „Die STIKO spricht sich jedoch explizit dagegen aus, dass der Zugang von Kindern und Jugendlichen zur Teilhabe an Bildung, Kultur und anderen Aktivitäten des sozialen Lebens vom Vorliegen einer Impfung abhängig gemacht wird.“ [5] Vor allem vor dem Hintergrund, dass Kinder und Jugendliche ohne Vorerkrankungen meist einen sehr viel milderen bis hin zu asymptotischen Verlauf haben. Dies bestätigt auch der jüngste Wochenbericht des RKI vom 30.12.2021, der klar veranschaulicht, dass Kinder und Jugendliche deutlich seltener aufgrund von Covid-Erkrankungen ins Krankenhaus eingewiesen werden. Um das Risiko einer Corona-Impfung mit dem Risiko einer Covid-Erkrankung mit schwerem Verlauf zu vergleichen, können wir folgende Daten heranziehen:
    • Das Paul-Ehlich-Institut gibt in seinem Sicherheitsbericht vom 23.12.2021 an:
      „Die Melderate betrug für alle Impfstoffe zusammen 1,6 Meldungen pro 1.000 Impfdosen, für schwerwiegende Reaktionen 0,2 Meldungen pro 1.000 Impfdosen.“ [6]
      Daraus ergibt sich ein Risiko für schwere Impfnebenwirkungen von 1/5000.
    • Das RKI und das DIVI-Intensivregister liefern die Daten zur Abschätzung eines schweren Verlaufs einer Covid-Erkrankung bei Kindern und Jugendlichen bis einschließlich 17 Jahren.
      Das RKI gibt die Zahlen der corona-positiv gemeldeten Kinder im Zeitraum von KW31 bis KW51 2021 mit 1.028.255 Jugendlichen unter 18 Jahren an [7].
      Davon hatten 211 Kinder einen schweren Verlauf (gemeldet vom RKI und DIVI-Intensivregister [8]).
      Daraus können wir das Risiko für die Kinder abschätzen, bei einer Covid-Infektion einen schweren Verlauf zu bekommen:
      211/1.028.255 = 1/4873 (oder eben 0,2 Erkrankungen mit schwerem Verlauf pro 1000 Infektionen, wie das Paul-Ehrlich-Institut sich ausdrückt).Das Risiko eines schweren Verlaufs bei einer Covid-Infektion für Kinder (0,2 pro 1000 Infektionen) liegt damit im Bereich des Risikos für schweren Impfnebenwirkungen pro Impfung. Berücksichtigt man, dass mindestens zwei Impfdosen pro Kind verabreicht werden, steigt damit auch das Risiko für schwere Nebenwirkungen pro Impfung für jedes Kind. Darüber hinaus ist weiter zu berücksichtigen, dass alle in der EU und in Deutschland zugelassenen Covid-19-Impfstoffe nur eine bedingte Zulassung haben (Stand 06. Januar 2022).

Wir fordern Sie hiermit auf, sich mit all Ihrer Kraft dafür einzusetzen, dass sämtliche Maßnahmen, die jetzt und in Zukunft getroffen werden, nicht zu Lasten der Kinder und Jugendlichen gehen. Haben Sie den Mut und weichen Sie von der seit langem verfolgten Standardpolitik ab zugunsten einer lebenswerten Entwicklung der nachfolgenden Generationen. Tragen Sie Sorgen für eine echte Chancengleichheit und freie Entwicklung aller Kinder und Jugendlichen! Jede Maßnahme hat nicht nur Auswirkungen auf die Entwicklung der Corona-Zahlen, sondern hat Einfluss auf viele weitere Faktoren, wie beispielsweise unsere CO2-Emissionen. Wägen Sie Maßnahmen nicht nur auf ihre Wirkung in Bezug auf das Corona-Virus ab, sondern berücksichtigen Sie die langfristige Wirkung auf alle wesentlichen Bereiche unseres Lebens und kommunizieren Sie diesen Entscheidungsprozess!

Mit freundlichen Grüßen,

Maxi Hase und Thomas Rauch

Literatur:

  1. Spitzer, M.: Gesichtsmasken im Unterricht. In: Nervenheilkunde 2020; 39
    https://www.thieme-connect.de/products/ejournals/pdf/10.1055/a-1162-5343.pdf
  2. Robert Koch Institut (RKI), Epidemiologisches Bulletin 46/2021, S. 6
    https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/EpidBull/Archiv/2021/Ausgaben/46_21.pdf?__blob=publicationFile
  3. Robert Koch Institut (RKI), Wöchentlicher COVID-19-Lagebericht vom 16.12.2021, S. 22 ff.
    https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Situationsberichte/Wochenbericht/Wochenberichte_Tab.html
  4. Robert Koch Institut (RKI), Epidemiologisches Bulletin 46/2021 vom 18.11.2021, S. 11
    https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/EpidBull/Archiv/2021/Ausgaben/46_21.pdf?__blob=publicationFile
  5. Anika Singanayagam, Seran Hakki, Jake Dunning, Kieran J Madon, Michael A Crone, Aleksandra Koycheva, et al.: Community transmission and viral load kinetics of the SARS-CoV-2 delta (B.1.617.2) variant in vaccinated and unvaccinated individuals in the UK: a prospective, longitudinal, cohort study. In: THE LANCET 2021
    https://www.thelancet.com/journals/laninf/article/PIIS1473-3099%2821%2900648-4/fulltext
  6. Paul-Ehrlich-Institut (PEI), SICHERHEITSBERICHT vom 23.12.2021
    https://www.pei.de/SharedDocs/Downloads/DE/newsroom/dossiers/sicherheitsberichte/sicherheitsbericht-27-12-20-bis-30-11-21.pdf?__blob=publicationFile&v=7
  7. SURVSTAT@RKI 2.0,
    Merkmale: “Krankeit/Erreger: COVID-19, Altersgruppierung: 1-Jahresintervalle: A00 – A17, Meldewoche: 31 – 51”,
    Anzuzeigende Merkmale: “In Zeilen: Meldewoche, In Spalten: Altersgruppierung…”
    https://survstat.rki.de/Content/Query/Create.aspx
  8. Daten vom Robert Koch Institut (RKI) und DIVI-Intensivregister
    https://diviexchange.blob.core.windows.net/%24web/bund-covid-altersstruktur-zeitreihe_ab-2021-04-29.csv

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